Roberto Tecchio, ein bekannter italienischer Berater hat Konflikt als „das Resultat zweier Faktoren: Meinungsverschiedenheit und persönliches Unbehagen“ definiert. In anderen Worten bedeutet dies, die Intensität der Konfliktes wird nicht durch die Größe der Meinungsverschiedenheit, sondern durch das Unbehagen, das aus der Meinungsverschiedenheit resultiert, bestimmt. Dies bedeutet, dass weder Diskussionsthema noch Verwicklung und Ausmaß der Entscheidung allein zu Konflikten führt. (Siehe auch: die neun Schritte der Konfliktbildung)

Der Katalysator für die meisten Konflikte ist eine gestörte Beziehung, dies erschwert die konstruktive Teilnahme an Entscheidungen oder des gemeinsamen Alltags. Alles wird schwer, unklar oder verwirrend.

Uneinigkeiten können manchmal eine Bereicherung für die Gruppe sein, da sie die unterschiedlichen Meinungen und Perspektiven reflektieren und neue Ideen und Vorschläge aufbringen und den Horizont erweitern. Es ist somit das Mittel gegen Passivität und unterstützt die Gruppenausdauer durch häufiges Anzapfen der kollektiven Intelligenz und Durchmischen der Energien auf dem Weg zur besten Lösung..

Unannehmlichkeit und Unbehagen sind jedoch manchmal schwer zu greifen und undefinierbar. Immer wieder versuchen wir die Frage „Warum leiden wir?“ zu beantworten. Jede Religion und Philosophie versucht eine Antwort zu finden, und doch gibt es immer noch keine allumfassende Antwort. Die Psychologie forscht, wo das Leiden überall seinen Ursprung haben könnte, von der Schwangerschaft, Kindheit, Geburt (the imprinting theory Prägung) über vorgeburtliche Ereignisse bis hin zu den Vorfahren und Ahnen (Aufstellungsarbeit) – aber es gibt keine allumfassende Antwort. Besonders wichtig scheint in diesem Zusammenhang die Angst vor Tod und Verlassenheit zu sein, die immer wieder angetickt wird, wenn Menschen sich ignoriert fühlen.

Diese zwei Beispiele zeigen, wie Konflikte wirken und ablaufen können:

1. Maria und Nadja führen neben der Kaffeemaschine eine heiße Diskussion darüber, ob sich ihr Verein mit einem hohen Geldbetrag an dem Fair-Trade-Festival in der Stadt beteiligen soll. Die Kasse ist so gut wie leer und Maria bezweifelt, dass die Gruppe sich die finanzielle Unterstützung des Projektes nicht leisten kann. Nadja ist vom Gegenteil überzeugt und so diskutieren beide lange über die Vor- und Nachteile jeder Option. Beide halten an ihrer Meinung fest. Nach einiger Zeit lädt Nadja Maria ein, die Diskussion auf später zu verschieben und jetzt gemeinsam Spazieren zu gehen. Sie bedanken sich beieinander für das jeweilige Engagement und den Einsatz und gehen gemeinsam spazieren.

2. Beth und Judith sitzen in einem gemeinsamen Treffen. Der Ablaufplan sieht aus wie immer, alltägliche Themen von eher weniger Relevanz. Beth redet darüber, den Küchenplan zu verändern und umzustrukturieren. Judith schweigt, sie schüttelt ihren Kopf, bleibt jedoch stumm. Nachdem die Dienste verteilt sind steht Judith auf und verlässt mit Tränen in den Augen das Treffen. Beth ist erschrocken und kann nicht verstehen was da passiert, sie kann sich nicht erklären, wieso Judith so reagiert. Vage erinnert sie sich daran, dass Judith des öfteren Skepsis über ihre Vorschläge gezeigt hat, in letzter Zeit viele Treffen verpasst hat und selten ausspricht, was sie denkt. Judith verlässt den Raum und erzählt ihrer Freundin Ana: „Ich gehe. Es ist besser für die Gruppe, wenn ich gehe.“

 

Diese beiden Fälle erzählen zwei unterschiedliche Geschichten. Nadja und Maria hatten eine intensive Diskussion, die jedoch ihre Beziehung nicht (negativ) beeinflusst hat. Beth und Judith hingegen, haben noch nicht einmal diskutiert und trotzdem hat es ihre Beziehung so ruiniert, dass eine von ihnen den Platz verlassen möchte; es ist die Geschichte davon, wie viel Einfluss Konflikte haben, auf das gesamte Leben von Menschen.

Einen Konflikt kann man gewinnen oder verlieren, doch im Endeffekt verlieren wir alle, wenn wir unsere Gruppen und Gemeinschaften zahlen- und energiemäßig schrumpfen sehen, an endlosen Diskussionen zerbrechen, und auseinanderbrechen, nur um dann wieder von vorne anzufangen.

Maria und Nadja hatten ganz und gar nicht die gleiche Meinung und trotzdem hat sich niemand in ihrer Diskussion unwohl gefühlt, dadurch war ihre Beziehung nicht gefährdet. Durch aufmerksames Zuhören konnten Spannungen entdeckt und angesprochen werden. Ein effektiver Weg, (Meinungs-)Verschiedenheiten anzuerkennen und zu respektieren ist der des moderierten Gesprächs, und das Nutzen von Entscheidungsstrukturen, die unterschiedliche Positionen zulassen und integrieren, statt die Gruppe in Mehrheit und Minderheit aufzuteilen (Konsens und Konsent versus Mehrheitsprinzip). Dynamische, soziale Strukturen, die die direkte Beteiligung erlauben, wie die Soziokratie, sind gute Herangehensweisen, um Meinungsverschiedenheiten zu sehen und die Individuen dahinter wahrzunehmen und wertzuschätzen.

Hat Beth je Judiths Meinung zu den Küchenschichten gehört? Oder hat sie nie zugehört und damit Judiths Unzufriedenheit über die momentane Situation ignoriert? Ist Judith bereits erbittert darüber, dass Beth und die anderen der Gruppe ihrer Meinung nicht wirklich viel Wert zusprechen? Merkt es überhaupt jemand ob Judith an einem Treffen teilnimmt oder nicht, kümmert es jemand, was sie denkt?

Sobald Emotionen hochkommen und sich manifestieren ist es zu spät, rational die Sache anzugehen und einen Plan oder ähnliches auszuarbeiten. Es ist Zeit innezuhalten und zuzuhören; respektvoll und wertfrei den Gefühlen der anderen Person zu begegnen und diese weder zu hinterfragen, noch mit einem schlauen Ratschlag klein zu machen. Einfach zuhören.

Soziale Werkzeuge, wie die Redestabrunde, Forum und Mediation können viel Spannungen in gemeinschaftlichen Projekten lösen und unterstützen die Verbindung zur Vision und Mission, die den Weg zur gegenseitigen Anerkennung und Akzeptanz zeigen.

Praktische Konfliktbewältigungsmethoden und -theorien sind auf der CLIPS Website zu finden.

Arnold Mindell‘s Theorien zu rank and privilege1, sind einfach und geniale Methode, um soziale Dynamiken, nicht nur in Gruppen sondern auch in der Gesellschaft als Ganzes, zu sehen und zu verstehen.

Um Konflikt zu lösen müssen wir uns also weniger mit den Meinungsverschiedenheiten als mit der gestörten Beziehung zwischen den Einzelnen auseinandersetzen und dafür die richtigen Methoden im richtigen Umfeld anwenden. Es ist ein langer und herausfordernder Weg, zu einer konfliktarmen und gemeinschaftlichen Gesellschaft.

Es ist wichtig, dass jede Gemeinschaft Strategien zur Konfliktbewältigung hat, die zu der Gemeinschaft passen. Manche Gemeinschaften nutzen interne Mediatoren, die bei zwischenmenschlichen Konflikten unterstützen, und andere wiederum investieren in die Ausbildung aller zur Lösung von Konflikten. Das wirklich Wichtige dabei ist, dem ganzen Thema wirklich Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Es wird sich später auszahlen, denn das einzige was schlimmer ist als ein heftigerer Konflikt ist ein permanent fortlaufender, heftiger Konflikt.

Methode: Die von Engeln unterstütze Diskussion

Zwei Menschen (Person A und Person B), die sich in einem Konflikt befinden, sitzen sich in der Mitte des Kreises gegenüber um ihr Thema anzugehen. Beide Personen suchen sich je einen „Engel“ um sie zu unterstützen.

Nachdem Person A gesprochen hat, wiederholt ihr Engel die Essenz dessen was sie gesagt hat. Der Engel von Person B antwortet, in dem er sagt, was er von Person A gehört hat. Erst dann darf Person B antworten, kommentieren und den eigenen Standpunkt teilen. Die Antwort von Person B ist wieder von den zwei Engeln übersetzt, bevor A antwortet.