Man kann intensives Gemeinschaftsleben mit einer erweiterten Ehe vergleichen; eine enge Gemeinschaft bedeutet mehr Halt, aber auch mehr Reibungspotential. Um Reibung und Konflikt möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, eine gute Balance zwischen persönlichen und gemeinsamen Räumen zu halten.

Es gibt bei gemeinschaftlichen Projekten ein breites Spektrum:

In Co-Housing Projekten leben die Menschen in privaten Einheiten, kümmern sich um ihr eigenes Einkommen und teilen nur einige Dinge, wie einen gemeinsamen Garten, Gemeinschaftsraum oder ähnliches miteinander. Begegnungen in solchen Räumen sind oft nicht so intensiv. Trotzdem können intensive Beziehungen überall zu jeder Zeit beginnen, wie in Food coops, Vereinen, Transition Town Initiativen oder am Arbeitsplatz. Auch dort können sich die emotionalen Dramen entwickeln, die Anziehung oder unerwarteten Liebesgefühlen entspringen.

In Kommunen wiederum ist der private Raum manchmal auf ein Schlafzimmer begrenzt und viele Räume wird geteilt. Oft, und manchmal zu oft, laufen einem andere Menschen über den Weg. Spannungen, Reibungen und Konflikte sind hier unvermeidbar. Eine gute Konfliktbewältigung, die zur Gemeinschaft passt, ist essentiell für enge Gemeinschaften – an der Konfliktkultur wird sich entscheiden, ob eine Gemeinschaft blüht und sich positiv entwickelt oder die Menschen sich dort nach und nach ausbrennen.

Sobald viele Leute eng zusammenleben, passiert es immer wieder, dass Emotionen und Gefühle füreinander entstehen, die bestehende Beziehungen verändern. Und so wie es die Dynamik bereichern kann, kann es sie auch schwächen. Begegnung auf der erotischen und sexuellen Ebene sind nicht zu kontrollieren. Diese unkontrollierbare Energie kann Menschen radikal verändern, Freude oder Enthusiasmus bringen und Endorphine wie Samen im Wind verteilen, aber auch Freundschaften und Projekte zerbrechen.

Verliebtheit ist eine ungeheuer starke Kraft, die immer wieder Menschen dazu führt, abgemachte Regeln zu brechen. Für den Umgang damit werden verschiedene Strategien gesucht: Es gibt Gemeinschaften die versuchen, klar vorzuschreiben, welche Beziehungsmuster akzeptabel sind und welche nicht.

Gemeinschaften mit streng religiösem Glauben sehen z.B. monogame Beziehungen als die einzig wahre Option. In der westlichen Gesellschaft sind serielle monogame Beziehungen die Norm; sobald man sich in einen neuen Partner verliebt, muss man die (Liebes-)Beziehung zu dem vorherigen Partner abbrechen.

Es gibt einige Gemeinschaften, die sich – teilweise bewusst und teilweise eher als Tribut an die Erfahrung – für eine Erweiterung der Beziehungsformen entscheiden und mehr als nur die heterosexuelle Monogamie leben. Um diese Offenheit zu leben, muss sich jedoch viel mit den komplexen Themen und aufkommenden Emotionen rund um Liebe und Sexualität befasst werden und es müssen Methoden gefunden werden, damit umzugehen.

Egal, welche Art von Beziehung gelebt und wie geliebt wird, in jeder Gemeinschaft werden Liebesbeziehungen beendet und neue beginnen. Der Partner, der verlassen wurde, fühlt sich oft sehr verletzt. Eifersucht, Wut, Groll oder andere kraftvolle Emotionen kommen meist aus dem tiefsten Inneren und haben viel mit dem Unterbewussten zu tun. Diese Emotionen gehören zum Mensch sein dazu und sollten auch akzeptiert werden und gehören nicht bewertet, unterdrückt oder ignoriert. Das gemeinschaftliche Zusammenleben braucht die Vereinbarung, dass jede*r die Verantwortung für sein oder ihr Handeln und Verhalten übernimmt, um gesunde soziale Beziehungen zu führen.

Überall starten Beziehungen und werden auch wieder beendet, doch das besondere an Beziehung in Gemeinschaften ist, dass sich alte und neue Partner kennen und oft begegnen. Das bietet die Chance und die Notwendigkeit, die entstandenen Wunden zu heilen und gut zu verarbeiten. Sollte das Ende der Beziehung bedeuten, dass ein*e Ex-Partner*in die Gemeinschaft verlässt, so verlässt er oder sie damit nicht nur das Zuhause und eventuelle Kinder, sondern auch viele enge Freunde und Arbeitskolleg*innen.

Manche Gemeinschaften nutzen soziale Werkzeuge und Methoden (siehe ZEGG-Forum) um diese Themen auf eine gewaltfreie Weise zu beleuchten und geben Sorge und Schmerz damit eine Stimme und eine Chance gesehen zu werden. Das bewusste Arbeiten mit und Zeigen von Emotionen verhindert, dass diese über der Gemeinschaft wie ein Schatten hängen, Spannungen herstellen und Energie der Gemeinschaft saugen.

Immer mehr Gemeinschaften kommen zu der Erkenntnis, dass das wichtigste Element in Liebesbeziehung nicht die Exklusivität, sondern Vertrauen, Aufrichtigkeit und Transparenz ist. Das offene Aussprechen von romantischen Attraktionen außerhalb der existierenden Partnerschaft kann Entspannung und Vertrauen schaffen und die Partnerschaft neu inspirieren und ihr neue Energie geben. Manchmal bedeutet das Öffnen einer Beziehung auch die Rettung einer Beziehung, die in dem Paradigma der serienmäßiger Monogamie geendet hätte.

Das Thema der Mann-Frau Beziehung ist in jeder Gesellschaft ein sehr stark kulturell geprägtes Thema. Die meisten Menschen bleiben in dem Bild ihrer Tradition und Erziehung, auch wenn sie festgestellt haben, dass es ihnen nicht gut tut, sie eventuell verletzt oder verrückt macht. Manche Gemeinschaften haben sich zur Aufgabe gemacht sich die eigenen kulturellen Prägungen anzuschauen und Alternativen bewusst zu entwickeln. Gegenseitiges Vertrauen und Fürsorge, Transparenz, Geduld und unterstützendes Zuhören wirken wie Balsam für eine verletzte Seele.