Bedürfnisse sind häufig starke Motivatoren, die Individuen dazu bringen aktiv zu werden. Von der Basis und dem Überlebenswichtigen bis hin zur Selbstverwirklichung und Transzendenz bestimmen Bedürfnisse einen großen Teil unseres Lebens. Um diese Bedürfnisse zu erfüllen braucht es ein funktionierendes soziales Umfeld, da die meisten dieser Bedürfnisse nicht allein befriedigt werden können.

Es gibtin den unterschiedlichen sozialpsychologischen Perspektiven unterschiedliche Ansätze, diese Bedürfnisse zu ordnen. Ein bekannter Ansatz ist maslowsche Bedürfnishierarchie, bekannt als Bedürfnispyramide, welche die Bedürfnisse erklärt und die Verbindungen zwischen ihnen darlegt.

Eine Art, die Bedürfnisse zu sortieren, ist die folgende in vier Kategorien:

  • Sicherheitsbedürfnisse – Freiheit und Sicherheit
  • Soziale Bedürfnisse – Zugehörigkeit und Akzeptanz, Liebe und Beziehung
  • Individualbedürfnisse – Ansehen, Wertschätzung, Unabhängigkeit und Wichtigkeit
  • Selbstverwirklichung

Bedürfnisse sind, egal ob sie den Menschen bewusst sind oder nicht, oft der Ursprung für Konflikte oder starke Emotionen. Emotionen dienen als Hinweis, ob die Bedürfnisse einer Person erfüllt sind oder nicht. Unerfüllte Bedürfnisse können zu Wut, Traurigkeit, Verwirrung oder Isolation führen und die Ich-Bezogenheit fördern und das Vertrauen an die Gruppe mindern oder gar zerstören. Das Bedürfnis hinter einer Emotion zu erkennen ist ein guter Weg um Brücken zwischen Konfliktpartnern zu schlagen und mit einer gemeinsamen Basis zusammen weiter zu gehen. Ein reifer und verantwortungsvoller Umgang mit den eigenen Emotionen und Gefühlen ist ein sehr wichtiger Faktor für das gemeinsame Arbeiten und Leben.

Bei der bewussten Arbeit mit den Bedürfnissen hilft es, die folgenden Ebenen zu betrachten:

  • Die persönliche Ebene: Ein Bewusstsein über die eigenen Bedürfnisse erlangen, sie weder vor sich, noch vor Anderen zu verstecken und Engagement für die Erfüllung dieser zu zeigen. Diese Ebene braucht die Ergänzung durch die nächste Ebene.
  • Die zwischenmenschliche Ebene: Hier geht es darum, Sensibilität für die Bedürfnisse anderer Menschen zu entwickeln, ohne sie nach den eigenen Standards zu messen. Die Diversität der Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen und -situationen akzeptieren und alle Bedürfnisäußerungen als Geschenk zu sehen, in denen Menschen etwas Wichtiges von sich zeigen, anstatt sie als Forderung zu verstehen.
  • Die Ebene der Gruppe: Die Fähigkeit, verschiedene Bedürfnisse zu integrieren indem die persönlichen und die kollektiven Bedürfnisse wahrgenommen und aktiv nach Lösungen gesucht wird, mit denen möglichst viele wesentliche Bedürfnisse erfüllt werden.

Es ist wichtig auf jeder Ebene, die entsprechenden Fähigkeiten zu entwickeln, um dann die eigenen Bedürfnisse und die kollektiven miteinander zu verbinden, und beide zu erfüllen.

Beim gemeinsamen Leben und Arbeiten ist es hilfreich, wenn wir Teile unserer Bedürfniserfüllung delegieren können und somit das persönliche Bedürfnis zu einem kollektiven machen. Dies passiert zum Beispiel, wenn wir statt nur für uns selbst (oder unsere Familie) zu kochen, wir für alle kochen und damit Zeit, Platz und Ressourcen sparen und gemeinsam das Bedürfnis nach Nahrung erfüllen. Das gemeinschaftliche Zusammenleben schafft die Möglichkeit, dass manche Bedürfnisse, die sonst nur von dem engsten Kreis der Vertrauten erfüllt werden, auch von der Gemeinschaft und damit einem größeren Rahmen erfüllt werden können. Gleichzeitig gehört zum selbstverantwortlichen Leben in Gemeinschaft, nicht zu erwarten, dass die Gemeinschaft meine Bedürfnisse erfüllt, sondern aktiv die Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse zu übernehmen.

Der Achtsame Umgang mit Menschen ist einer von drei ethischen Grundwerten der Permakultur. Mit einer breiten, kollektiven Sicht auf die Bedürfnisse, mit Blick auf die Fülle von Geben und Nehmen, zu schauen, gibt der Gruppe die Möglichkeit, eine soziale Realität zu kreieren, in der jede*r auf sich selbst, die Anderen, die Gruppe und das Projekt achtet und sich damit gegenseitig unterstützt. Obwohl dies erstrebenswert klingt, ist es nicht immer so leicht. Bedürfnisse kollektiv zu erfüllen, ist das Gegenteil von dem, was die meisten Menschen in unserer individualistischen Kultur gelernt haben.

Unsere kulturelle Prägung trainiert uns auf Konkurrenz aus Angst vor Ressourcenknappheit, für die eigene Sicherheit, und um Liebe und Anerkennung zu gewinnen.

Für den Wandel in eine Kultur des Teilens, der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit braucht es das Verständnis, dass ich mich oft, indem ich mich um die Bedürfnisse der anderen kümmere, auch meine eigenen Bedürfnisse zum Beispiel nach Anerkennung erfülle. Dieser Wandel braucht Selbstbeobachtung, das Hinterfragen von Überzeugungen sowie eine Offenheit für neue Erfahrungen. Gemeinsam diesen Wandel zu vollziehen erlaubt es, an der gegenseitigen Unterstützung zu wachsen und eine neue Art des gemeinsamen Zusammenseins zu erleben.

Natürlich braucht dieses Wachstum auch den persönlichen Wunsch nach Veränderung, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und Bedürfnisse und Emotionen von anderen Seiten zu betrachten. Die Art, wie eine Person ihre Bedürfnisse wahrnimmt, ihre Strategien sie zu befriedigen und die Reaktion bei unerfüllten Bedürfnissen, hängt oft vom persönlichen Hintergrund, Gewohnheiten und Verhaltensmustern ab. In einer gut funktionierenden Gruppe geben die Personen ihre Eigenverantwortung nicht ab, lernen jedoch Austausch und Kommunikation, um sich dafür zu öffnen, dass selbst auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinende Bedürfnisse, sich gemeinsam ergänzend erfüllen können.